Die für mich persönlich sehr bewegende Worte wurde von einer mir sehr nahestehenden Person geschrieben. Tauchen Sie mit ein in den

Tag an dem „Die Befreiung“ begann – Samtene Revolution!

Was habe ich von diesem Tag erwartet? Schwer zu sagen… Für meine Familie war dies eine sehr schwierige Zeit. Ich hatte mich von meinem Mann getrennt, musste unser Haus abbezahlen, wusste nicht wie die Welt für meine beiden Töchter und mich weitergeht. Politik sowie alle Vorlieben und Schönheiten des Lebens hatten mich seit geraumer Zeit nicht interessiert…

Es war ein ganz normaler Freitag in Uhersky Brod, ca. 300 km östlich von Prag. Wie gewohnt begann morgens die Arbeit in der Rüstungsfabrik, in der ich arbeitete. Auch der Tag verlief ohne außergewöhnliche Ereignisse. Doch am frühen Abend erreichten uns die ersten, teils widersprüchlichen Nachrichten aus Prag.

Die offiziell genehmigte Gedenkfeier für Jan Opletal war anscheinend außer Kontrolle geraten. Die sozialistische Führung Tschechiens fühlte sich angegriffen. Über das Wochenende waren die Zeitungen, das Radio und das Fernsehen voll von immer neuen Nachrichten aus Prag, doch wir wussten nicht, was Wahrheit und was Propaganda war.

Als im Fernsehen jedoch die ersten Bilder aus Prag ausgestrahlt wurden, sahen wir die Demonstrationen gegen das Regime mit eigenen Augen. Wir sahen tapfere Studenten in den Straßen, lauthals unterstützt von der gesamten Bevölkerung von der Oma bis zum Kleinkind.

Ab da verfolgten wir die Radionachrichten rund um die Uhr. In der kommenden Woche war nicht an Arbeit zu denken. Am Montag diskutierten Kollegen, Vorgesetzte und sogar die Geschäftsführung darüber, wie wir auf die Geschehnisse reagieren sollten. Am Dienstag entschied die Leitung unserer Fabrik, die Arbeit niederzulegen. Es wurde eine Sonderkommision eingesetzt, die den Entschluss bestätigte – die Fabrik wurde geschlossen.

Am Nachmittag stand meine Tochter mit mir und weiteren ca. 8.000 Menschen am Mariánské námestí in unserer Heimatstadt, um die Studenten in Prag zu unterstützen.

Ja, auch ich klingelte mit meinen Schlüsseln und hielt eine kleine Tschechische Fahne auf. Und auch ich teilte plötzlich die Hoffnung so vieler, die RICHTIGE Freiheit und Demokratie aus den Ländern Europas hinter dem „Eisernen Vorhang“ kennenzulernen. Was uns in den kommenden Tagen, Wochen und Jahren erwartete, wusste ich nicht, doch es fühlte sich richtig an!

Ein herzliches Dankeschön an meine Schwiegermutter Dagmar für ihre persönlichen Erinnerungen an diesen besonderen Tag.

 

Hintergrundinformation:

Jan Opletal war ein Medizinstudent. Er wurde am 28.11.1939 bei einer Widerstandsdemonstration am tschechoslowakischen Unabhängigkeitstag angeschossen und schwer verletzt und verstarb zwei Wochen später. Daraufhin wurden die Prager Universitäten vorübergehend geschlossen.