Die große Nacht zu Ostern!

Die ersten Frühlingsboten sind angekommen. Lila Krokusse, weiße Schneeglöckchen und die Knospen von Goldregen sind bereit, die grüne Natur in ein farbiges Meer zu verwandeln. Der Frühling kommt unaufhaltsam und mit ihm die erste große Feier – Ostern! Sie findet am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond statt, zwischen dem 22. März und 25. April. Mal müssen die „Koledníci*“ ihren Weg deshalb durch hohe Schneeberge finden, während sie in anderen Jahren die sommerlichen Sonnenstrahlen genießen.

* Ein Koledník bzw. die Koledníci sind männliche Oster-Feiernde, die nach alter Tradition feierlich verkleidet und mit einer „Tatar“ (Osterrute) bewaffnet über das Land ziehen.

Die Vorfreude auf diese Feiertage blieb aus meiner Kindheit erhalten! Bereits nach der Faschingsnacht, bzw. ab Anfang der Schneeschmelze waren meine Freunde und ich immer am kleinen Bach, verfolgten das trübe, wilde Wasser, sammelten Weidenkätzchen und Himmelsschlüssel. Die Jungs kletterten auf Bäume. Besonders auf Weiden, denn hier durften sie sich frische Zweige abschneiden, um daraus eine traditionelle Osterrute, im Tschechischen „Tatar“, zu flechten. Nicht nur die wilde Natur erwachte zu neuem Leben, auch die tierischen Bewohner unseres Hinterhofs – die kuscheligen Kügelchen im Kaninchennest, die ich so gern beobachtete und die jungen Zicklein, welche ich unbedingt bis auf die Wiese begleiten musste. In der Karwoche begannen dann die echten Feierlichkeiten und zwar mit dem Palmsonntag, an dem die Weidenkätzchen verehrt werden. Zu Hause lagen sie danach am Kreuz oder wurden dem Land / Acker gespendet, um eine reiche Ernte zu sichern.

Vorbereitung bis zum Karfreitag

Am Blauen Montag, Grauen Dienstag und Stillen Mittwoch wurde im und ums Haus geputzt – am Nachmittag kam gelegentlich der Schornsteinfeger vorbei. Am grünen Donnerstag wird für eigene Gesundheit gesorgt. Die Kinder bekamen ein Löwenzahnblatt, Minze oder ein Spinatblatt aus dem eigenen Garten. Am Donnerstag Abend blieben die Kirchenglocken stumm, denn die kleinen Jungs, die sie sonst läuten, waren anderweitig beschäftigt. Sie liefen mit einem hölzernen Schubkarren durch das Dorf, sangen laut und machten ordentlich Lärm mit ihren Rasseln, Klappern und Ratschen. Einer der Männer spielte den sogenannten „Einsammler“- für kleine Münzspenden, und Süßigkeiten aller Art (Bonbons, Schokolade, Honig, Marmelade, aber auch Obst). Er kümmerte sich dazu um gerechte Aufteilung unter allen Freunden.

Der große Freitag, ein strikter Festtag, war ein Tag der Erholung. Wir durften weder die Erde berühren, Wäschewaschen oder etwas ausleihen. Um ehrlich zu sein, ich halte mich bis heute daran. Der weiße Samstag begann mit langem Glockengeläut. Es ist der Tag der Vorbereitung auf den kommenden Ostersonntag, dem Fest der Auferstehung Jesu Christi und der Beginn der österlichen Freudenzeit. Oma und Mama backten viele süße Leckereien, mein Liebling war das mit Puderzucker bestreute Lämmchen. Papa kümmerte sich um die Getränkevorräte. Meine männlichen Freunde nutzten diesen Tag zum Rutenflechten und probten passende Ostergesänge und Gedichte. Ich dagegen habe Ostereier bemalt, half Mama mit dem Schmücken der Stube und brachte frische Blüten aus unserem Garten.

Traditionelles Osterei

Das Ei, wahrgenommen als Symbol für das neue Leben, wurde besonders zu Ostern mit Hochachtung betrachtet. Die Tradition des Bemalens und Färbens ist auf alle Fälle bunt, jedes Dorf bemalt die Eier traditionell nach seiner eigenen Technik. In unserer Familie wurden die Eier mit der Hilfe von gekochten Zwiebelschalen gefärbt. Die Eier wurden in die Schalen gepackt, mit dünnem Leinen umhüllt und im Zwiebelsud gekocht. Danach zeigten sie ein wunderschönes Batikmuster. Andere Eier wurden mit Blättern oder kleinen Blüten belegt, in Leinen eingepackt und in den Schalensud gelegt. Dies ergab eine einheitliche Färbung mit weißen Blatt- und Blütenumrissen. Unsere Nachbarn schmückten ihre „Kraslice“ (tschechischer Begriff für aufwendig verzierte Ostereier) mit Wachs, kratzten Bilder aus und bemalten sie sehr aufwendig. Einige Tüftler brachten mittels eines Handbohrers sogar regionale Motive auf den Eierschalen zum Vorschein.

Ostersonntag und -Montag

Der Sonntag gehörte der Familienverbundenheit – ich nannte ihn etwas beschönigend „Den Tag der Besuche“. An diesem Tag wurden auch die heiligen Speisen wie Brot, Wein, Ei und das Osterbrot geweiht. Der Nachmittag am Marktplatz gehörte unserer regionalen Volksmusik. Das Ensemble bildeten zwar nur die Nachbarn, doch der Klang und der Rhythmus waren einzigartig. Junge Burschen sangen und tanzten bis in die frühen Morgenstunden … um am Ostermontag ihrer „Pflicht“ nachzugehen.

Sie zogen mit ihren selbstgeflochtenen Tatars durch das Dorf und „verliehen“ jedem Mädchen und jeder Frau Gesundheit, Frische und Schönheit, beginnend bei Oma, Mama und Ehefrau. Dazu gaben sie ihnen „slehaní“ – das sind leichte, symbolische  Rutenhiebe auf den Hintern. Dieser Brauch mag aus der Zeit gefallen zu scheinen, aber Jahr für Jahr werden es wieder mehr Damen, die sich für die ewige Jugend auspeitschen lassen – Ihr würdet Euch wundern! Dabei müssen die Männer unterschiedliche Gedichte vortragen, Osterlieder singen, doch vor allem nicht vergessen, allen weiblichen Familienmitgliedern auf den Po zu hauen. Viele Mädchen können gar nicht abwarten und erwarten ihre Koledníky direkt an der Tür. Andere junge Fräulein verstecken sich lieber, was den Jungs besonders gefällt, wenn sie sie endlich finden. Als Gegenleistung wurde jeder Tatar mit einer bunten Schleife versehen.

Dafür bekamen Koledníci Ostereier, zur Erfrischung Schokolade und leckeren Kuchen für die Jüngeren Männer. Für die Erwachsenen ein Gläschen Slivovice oder Wein. So laufen die Männer von Tür zu Tür und Freundin zu Freundin, um viel Glück und Freude zu verbreiten.

Mein Wunsch

Bitte genießt die nächsten Ostertage anhand Eurer Tradition oder lasst Euch unter frischen Ästen und Blüten verjüngen. Tankt viel Kraft und bleibt gesund! Zum Abschied ein passendes Gedicht: „Hody, hody doprovody, dejte vejce malovaný. Nedáte-li malovaný, dejte aspoň bílý. Slepička Vám snese jiný.“ Die Übersetzung ins Deutsche müsste wie folgt heißen: „Lasst uns alle Ostern feiern, gebt uns dazu bunte Eier. Wenn nicht bunte, dann zumindest weiße. Eure Hennen legen euch doch neue.“

Erinnerungen aus einem kleinen Dorf in Mähren (Osten Tschechiens), kommend vom Herzen meiner Schwiegermutter. Herzlichen Dank, Dáso! Ostern